Sidonie Fernau Mamalies

Im Porträt: Sidonie Fernau

„Mit Mamalies möchten wir neuzugewanderten Frauen* den bestmöglichen Start in unserer Gesellschaft ermöglichen.“ So beschreibt Sidonie Fernau die Mission von Mamalies, der gemeinnützigen GmbH, dessen geschäftsführende Gesellschafterin sie ist. Und obwohl diese Arbeit allein schon ein ganzes Berufsleben ausfüllen könnte, ist Mamalies nur einer der vielen Hüte, die Sidonie trägt.

Neben ihrem Engagement für den Bildungsträger ist sie auch geschäftsführende Gesellschafterin von dessen gewerblicher Tochter In guter Gesellschaft und Fremdgeschäftsführerin von Parikom, dem Paritätischen Kompetenzzentrum Nord, das Managementberatung für Impact-Unternehmen anbietet. Und dann ist da noch ihre Rolle als Lobbyistin. 15 Jahre lang war sie Vorstandsmitglied verschiedener Verbände und hat die ehemalige Bundeskanzlerin und verschiedene Bundesminister:innen zu diversitätsbewusster und rassismuskritischer Familien-, Bildungs- und Migrationspolitik beraten. Aktuell ist sie Bundesvorstandsmitglied des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland (SEND).

 

Doch welchen Hut Sidonie auch auf hat, die Intention ist immer die gleiche: Mit ihrem Einsatz möchte sie marginalisierten Menschen in allen wesentlichen Bereichen unserer Gesellschaft echte Teilhabe ermöglichen. Und die Gesellschaft damit lebenswerter machen – für sie selbst, aber auch für alle anderen.

 

Da sein für die ersten Schritte

Wer neu nach Deutschland kommt, hat erstmal viele Fragen. Von banalen Dingen wie der Mülltrennung bis zu komplexeren Fragen danach, wie das Schulsystem funktioniert oder wie man Arbeit findet. Hier Fuß zu fassen, das sei vor allem für Frauen* herausfordernd, die mit kleineren Kindern nach Deutschland kommen, erzählt Sidonie. Denn: Viele Angebote, die es in Hamburg gibt, seien nicht ausreichend auf die Bedürfnisse und Lebensrealitäten dieser Frauen* zugeschnitten. „Da braucht es beispielsweise zielgerichtete Angebote, die auch in Anspruch genommen werden können, wenn noch keine KiTa-Plätze für die Kinder da sind.“ Flankierend zu Erstorientierungs- und Integrationskursen sowie den Begegnungsprojekten bietet Mamalies deshalb auch eine Kinderbeaufsichtigung an. Dabei nimmt das Team insbesondere die frühkindliche Sprachförderung in den Blick.

 

Vom ehrenamtlichen Engagement zur gGmbH

Entstanden ist Mamalies aus dem bürgerschaftlichen Engagement rund um die Hamburger Messehallen 2015/16, als viele geflüchtete Menschen in Hamburg ankamen. Genau wie Sidonie setzt sich damals auch die Initiatorin von Mamalies, Leyla Oehlrich, für die Geflüchteten ein. Beide kennen sich aus ihrer Uni-Zeit. Als Mamalies 2019 – zwei Jahre nach der offiziellen Gründung – zum ersten Mal öffentliche Mittel erhält, unterstützt Sidonie zunächst als Interim-Geschäftsführerin. Sie hilft der Organisation dabei, die Mittel richtig abzurechnen und weiter zu wachsen. Mit Erfolg: Mittlerweile arbeiten 25 Menschen festangestellt für Mamalies, hinzu kommt eine Reihe von Honorarkräften und Ehrenamtlichen. Heute hat das Unternehmen zwei eigene Einrichtungen, die auch Begegnungsorte sind – in der Hafencity und in der Nähe des Hauptbahnhofs.

Räume Kinderbeaufsichtigung HafenCity Räume Kinderbeaufsichtigung HafenCity
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Eine Arbeit mit Herausforderungen

Aber auch Sidonies Arbeit ist nicht ohne Schattenseiten. „Wenn du dich mit dem, was du tust, sichtbar machst, erfährst du dafür nicht nur Applaus,“ sagt Sidonie. Inwieweit sie für ihre eigenen Werte und Überzeugungen eintreten könne, das sei auch eine Sicherheitsfrage – zunehmend auch hier in Hamburg. „Wie viel Hass bist du bereit, auf dich zu nehmen und wie viel Risiken für dich, für deine Familie, wenn du öffentlich das tust, was du tust?“. Leider sind auch das Fragen, die Sidonie beschäftigen.

 

Und dann ist da noch das Thema der Finanzierung. Während die pädagogische Arbeit von Mamalies weitestgehend über Drittmittel finanziert ist, mangelt es vor allem an Geld für den so genannten „Overhead“ – für wichtige Aufgaben wie Geschäftsführung, Qualitätsmanagement, Human Resources, Verwaltung oder Öffentlichkeitsarbeit und eine auskömmliche Finanzierung von sonstigen Personalstellen. „Es kann nicht sein, dass Menschen, die in unserem Bereich arbeiten, ihr Einkommen mit Bürgergeld aufstocken müssen,“ findet Sidonie.

 

Es braucht einen echten Schulterschluss

Was die Arbeit von gemeinwohlorientierten Unternehmen wie Mamalies einfacher machen könnte? Wenn verschiedene Sektoren wie die Wirtschaft, Sozialunternehmen, Wissenschaft und freie Wohlfahrt wirklich an einem Strang ziehen würden. „Schulterschluss – das klingt so abgedroschen, wie eine Worthülse“, sagt Sidonie und erklärt, worum es ihr dabei eigentlich geht: gemeinsam auf Herausforderungen zu blicken und auf Augenhöhe an Lösungen zu arbeiten. „Einen wohlwollenden Blick auf die Ressourcen zu haben, die der Andere mitbringt. Davon wünsche ich mir mehr.“

 

Geschichten, die Mut machen

Aber dann gibt es da auch noch die Geschichten des Gelingens. Sidonie erinnert sich zum Beispiel an eine Frau, die sie bereits 2016 kennenlernt, als sie eine Tagesstätte für sogenannte Transitgeflüchtete am Hauptbahnhof leitet. Die Frau fällt ihr vor allem auf, weil sie etliche Schaumstoffmatratzen dabei hat. „Ich habe sie gefragt, was sie damit vorhabe“, erinnert sich Sidonie. „Dann hat sie mir erzählt, dass die Moschee, in der sie und ihre Familie bislang übernachtet haben, keine Schlafplätze mehr anbietet. Deswegen habe sie mit ihrem letzten Geld die Schaumstoffmatratzen gekauft, damit sie mit ihrer Familie zumindest irgendwo weich schlafen könne. Im Freien, unter irgendeiner Brücke.“ Es stellt sich heraus, dass die Frau aus Syrien kommt und zusammen mit ihrem Mann und vier Kindern nach Deutschland geflüchtet ist.

 

Mit der Unterstützung des PARITÄTISCHEN Hamburg findet die Familie schon bald eine Wohnung, genauso wie KiTa- und Schulplätze für die Kinder. Mittlerweile haben alle Deutsch gelernt und die Mutter macht seit Kurzem eine Ausbildung zur Erzieherin. Zuvor hatte sie bereits für Mamalies in der Kinderbeaufsichtigung gearbeitet – ihr erster Job in Deutschland. Auch ihre Kinder sind gut integriert und die Ältesten haben bereits Pläne, in Deutschland zu studieren – Medizin und Lehramt. „Ich finde das wahnsinnig toll!“ sagt Sidonie. „Diese Geschichte zeigt, dass Integration gelingen kann, aber dass sie auch nicht selbstverständlich ist, sondern, dass man in sie investieren muss.“

 

In Integration investieren – das werden Sidonie und ihr Team auch in Zukunft. Denn eins ist klar: Wenn Frauen*, die neu nach Deutschland kommen, hier den bestmöglichen Start erleben, dann profitieren nicht nur sie und ihre Familien davon, sondern wir alle.

 

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(c) Bildcredits: Mamalies

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