Constanze Klotz Bridge&Tunnel

Im Porträt: Dr. Constanze Klotz & Charlotte Erhorn

Wer mit Constanze (Conny) und Charlotte (Lotte), den Gründerinnen der nachhaltigen Textilmanufaktur Bridge&Tunnel, spricht, merkt sofort: da haben sich zwei gefunden. „Match made in heaven“, sagt Lotte über die Beziehung zu ihrer Geschäftspartnerin Conny. Während die eine – Lotte – diplomierte Textildesignerin ist und damit die Expertin für das Design, die Produktion und die Website, hat die andere – Conny – als promovierte Kulturwissenschaftlerin die Hosen an, wenn es um Kommunikation, Social Media, Fundraising und Sales geht. Innen- und Außenministerium nennen die beiden das liebevoll.

Ihr Baby, Bridge&Tunnel, ist keine ganz gewöhnliche Textilmanufaktur. Es ist ein Ort für zweite Chancen. Auch ohne Diploma und offiziell anerkannte Abschlüsse können benachteiligte Frauen hier ihre Talente und Fähigkeiten einbringen und einer sinnvollen Arbeit nachgehen. Gleichzeitig setzen Conny und Lotte auch auf zweite Chancen, wenn es um die verwendeten Materialen geht. So kommen für ihre Produkte ausschließlich textile Reste unter die Nähmaschine – „pre- und post-consumer waste“ wie es im Fachjargon heißt. Von der Arbeitskleidung zur schicken Hipbag oder vom Werbebanner zur Laptop-Hülle –  hier gibt’s ein zweites Leben für vermeintliche Abfälle.

 

Ein Nähclub mit Potenzial

Im Gespräch mit Lotte erfahren wir, wie alles seinen Anfang nahm. „Das war so eine Art Urknall,“ sagt Lotte schmunzelnd. „Da kamen viele Zufälle zusammen.“ Conny habe damals – 2015 – zusammen mit einer gemeinnützigen Organisation einen Coworking-Space für Nähmaschinenarbeitsplätze in Wilhelmsburg ins Leben gerufen: das Stoffdeck. Talentierte Menschen, die zuhause nicht den Platz dafür gehabt hätten, sollten dort kreativ werden können, ob ambitionierte Jungdesigner:innen oder Menschen, die das Nähen in ihrem Heimatland gelernt haben. Eine Zielgruppe so vielfältig wie Wilhelmsburg selbst. Als Conny bald darauf eine Mitbetreiberin für das Stoffdeck suchte, war Lotte sofort am Start. Zusammen entwickelten sie den Ort weiter, führten Workshops durch, lernten Wilhelmsburg und seine Bewohner:innen in- und auswendig kennen.

 

Bald fand im Stoffdeck auch ein Nähclub sein Zuhause, der bislang immer mittwochs in einer Moschee stattgefunden hatte. „Die Frauen haben zwar ganz toll genäht, konnten das aber nicht zu einer Erwerbstätigkeit machen,“ erinnert sich Lotte. Das hatte verschiedene Gründe: mangelnde Sprachkenntnisse, die Tatsache, dass alle Familie hatten und somit nur eine Teilzeitstelle hätten annehmen können oder dass Jobs in der Textilindustrie in Hamburg eh Mangelware sind. Parallel dazu hörten Lotte und Conny zu dieser Zeit immer wieder von jungen Designer:innen, die ihre ersten Kollektionen herausbringen wollten, aber niemanden fanden, der sie fertigen kann. „Irgendwann haben wir gesagt: Okay, alles kommt bei uns zusammen – die Leute, die es können, die Leute, die es brauchen, lass uns doch einfach eine eigene Produktion aufmachen.“ Gesagt, getan!

Slideshow image Slideshow image
Constanze Klotz und Lotte Erhorn Bridge&Tunnel Constanze Klotz und Lotte Erhorn Bridge&Tunnel
Slideshow image Slideshow image
Mitarbeiterin Bridge&Tunnel Mitarbeiterin Bridge&Tunnel
Die Geburtsstunde eines besonderen Unternehmens

„Uns war von vornherein klar, dass wir mit den Frauen arbeiten wollen, die wegen multipler Hemmnisse keine Arbeit finden, aber eigentlich total gut sind. Es kam uns so logisch vor und erst später haben wir gemerkt, dass das etwas Besonderes ist,“ sagt Lotte. Dass ihr Ansatz etwas Besonderes ist, zeigt sich auch in der Art wie Lotte und Conny auf ihre Mitarbeiterinnen schauen. Während in klassischen Unternehmen noch immer der Performance-Gedanke im Fokus steht, sehen die beiden ihre Mitarbeiterinnen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Lebenssituation. Sie wissen: Wenn jemand nicht so leistungsfähig ist, dann hat das vielleicht gar nichts mit der eigentlichen Arbeit zu tun. „Da geht es ganz viel um mentale Gesundheit, um das Gefühl von Sicherheit, was zum Beispiel auch mit Harmonie in der Familie zu tun hat, oder darum, ob ich so gesehen werde, wie ich wirklich bin.“ Eine faire und menschliche Arbeitgeberin zu sein, das ist für Lotte und Conny kein loses Versprechen, sondern gelebte Praxis.

 

Das Glück, Andere zu befähigen

Heute gibt es Bridge&Tunnel schon fast zehn Jahre. Das Unternehmen ist fest etabliert in der Hamburger Social-Entrepreneurship-Landschaft, arbeitet für namhafte Unternehmen der Textilindustrie und hat zuletzt den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Gesellschaft/ Produkt gewonnen. Klar, der sichtbare Erfolg und die externe Anerkennung bedeuten den beiden viel. Aber wenn man Lotte nach ihrem Motivationsfaktor Nummer eins fragt, kommt sie sofort wieder auf die Menschen bei Bridge&Tunnel zu sprechen. Sie sagt: „Wenn man die einzelnen Mitarbeiterinnen sieht und wie sie sich verändert haben in der Zeit, in der sie hier waren, wie zum Teil Metamorphosen der Emanzipation stattgefunden haben… das ist so beglückend!“

 

Gut gewappnet für Krisen?

Was Bridge&Tunnel, genau wie vielen anderen Social Enterprises, manchmal Bauchschmerzen macht, ist der ungleiche Wettbewerb. Lotte beschreibt das so: „Wir stehen in einem Marktwettbewerb mit den großen herkömmlichen Brands. Aber gerade weil wir nachhaltig und sozial fair arbeiten, haben wir höhere Ausgaben, wodurch für uns – preislich betrachtet – ein Nachteil entsteht.“ Durch die geringeren Margen könnten sich die beiden keinen dicken finanziellen Puffer ansparen. Das mache das Unternehmen anfälliger für Krisen. Und auch wenn das Unternehmen finanziell stabil ist, träumen die beiden davon, einen größeren Überschuss zu erwirtschaften und so resilienter zu werden. Wie das gehen könnte? Vor allem über mehr Verkäufe. „Wir sprechen ja viel über achtsamen Konsum, aber wir sind auch darauf angewiesen, dass die Leute gern und viel bei uns shoppen,“ sagt Lotte. Und schießt noch eine interessante Idee hinterher: „Wäre es nicht sinnhaft, wenn es für faire oder soziale Produkte eine reduzierte Mehrwertsteuer gäbe?“

 

Kleine Feuer für den Wandel

Conny und Lotte geht es aber nicht nur um ihr eigenes Unternehmen. Sie wollen auch Veränderungen in der Textilbranche als Ganzes bewirken. Dafür setzen sie zum Beispiel bei ihren B2B-Kund:innen an. „In jedem Unternehmen arbeiten echte Menschen und wenn du in denen ein kleines Feuer entfachst, dann machen sie von sich aus damit weiter,“ sagt Lotte. Dieses Feuer, das lässt sich mittlerweile zum Glück immer leichter entfachen. Lotte erinnert sich, dass Social Entrepreneurship in der Anfangszeit von Bridge&Tunnel noch als ziemlich ungelernt und seltsam galt. „Inzwischen ist es viel verbreiteter, sodass wir es auch weniger erklären müssen.“

 

Klar, Veränderung braucht Zeit. Aber wenn Menschen wie Conny und Lotte daran mitwirken, können wir uns sicher sein: sie passiert. „Match made in heaven“ eben!

 

Lust, mehr zu erfahren? Hier geht’s zur Website von Bridge&Tunnel:

 

Mehr erfahren

 

 

 

(c) Bildcredits: Bridge&Tunnel

Zu den anderen Testimonials