Christian Sigmund

Im Porträt: Christian Sigmund

Von den 6,3 Milliarden Tonnen Plastik, die seit den 50ern Jahren hergestellt wurden, liegen 79 Prozent noch in der Umwelt. Dieses „wilde“ Plastik aus der Natur zu entfernen und in neue zirkuläre Produkte zu verwandeln, ist die Mission von Chris Sigmund, Co-Founder des nachhaltigen Verpackungsunternehmens WILDPLASTIC.

 

Wie groß unser Müllproblem wirklich ist, ist Chris in Peru auf dramatische Weise so richtig bewusst geworden. Acht Jahre ist das her. Chris hatte gerade seinen Job bei YouTube gekündigt und sich eine viermonatige Auszeit in Südamerika genommen. „Diese Zeit wurde nach zwei Wochen recht unromantisch unterbrochen, wegen sintflutartigen Regenfällen,“ erinnert sich Chris. Noch nie hatte es bis dato so stark geregnet in dieser Region. Der Regen sorgte für riesige Schlammlawinen – und spülte die illegale Mülldeponie an den Strand. Eine echte Umweltkatastrophe. „In Europa haben wir keinen Kontakt mit wildem Plastikmüll in dieser Form,“ sagt Chris. „Vielleicht finden wir mal eine Flasche am Strand. Aber das hat nichts mit dem tatsächlichen Ausmaß in anderen Regionen der Welt zu tun. In Peru habe ich das verstanden.“

 

Ein Team aus Gleichgesinnten

Nach diesem einschneidenden Erlebnis vergehen noch etwa 1,5 Jahre bis sich das Gründungsteam von WILDPLASTIC schließlich zusammenfindet. Alle haben auf ihre Weise Erfahrungen mit der Müllproblematik gemacht, ob im Job oder auf Reisen. Was sie verbindet, ist der Wunsch, diesem Problem eine konstruktive und unternehmerische Antwort entgegenzusetzen. „Es gab von Anfang an ein paar Grundüberzeugungen, die es bis heute noch gibt,“ sagt Chris. Dazu gehört: „Wir wollten nicht die Tristesse ins Zentrum stellen, sondern Lösungen entwickeln, die Lust auf die Zukunft machen.“

 

Ein Müllbeutel, der die Umwelt aufräumt

Los geht’s mit der WILDBAG – einer Mülltüte aus „wildem Plastik“. Wildes Plastik, das ist all das Plastik, das außerhalb des Recyclingkreislaufs auf illegalen Mülldeponien, in der Natur oder im Straßenbild zu finden ist. WILDPLASTIC lässt es von lokalen Partnerorganisationen sammeln, in Indien, Ghana, Nigeria, Thailand, Indonesien und Sierra Leone. Bis heute hat das Unternehmen rund 700.000 kg Plastik aus der Natur gerettet und dadurch rund 1,4 Mil. Kilogramm CO2 eingespart, die andernfalls für die Produktion von Neuplastik angefallen wären. Auch namhafte Business-Partner konnte WILDPLASTIC gewinnen, etwa den Onlinehändler OTTO oder das Hamburger Social Enterprise Goldeimer. Der Profit für die Umwelt ist aber nur eine Seite der Medaille. WILDPLASTIC setzt sich auch für bessere Arbeitsbedingungen bei den lokalen Sammelorganisationen ein und stärkt die Abfallwirtschaft vor Ort.

 

 

WILDPLASTIC_35l Rolle WILDBAGS_gelb_© Bernd Westphal WILDPLASTIC_35l Rolle WILDBAGS_gelb_© Bernd Westphal
WILDPLASTIC_wildes Plastik_4_© katjahanzl WILDPLASTIC_wildes Plastik_4_© katjahanzl
Team_© Anna Ziegler Anna Ziegler, Wild Plastic, Studio Oeding, Katrin Oeding, Hamburg, Christian Sigmund, Brook 5, Startup, Purpose Unternehmen, recycling, Plastik, Team Meeting, Wildbag, life cycle assesament, Team_© Anna Ziegler Anna Ziegler, Wild Plastic, Studio Oeding, Katrin Oeding, Hamburg, Christian Sigmund, Brook 5, Startup, Purpose Unternehmen, recycling, Plastik, Team Meeting, Wildbag, life cycle assesament,
Zwei wichtige Versprechen

„Für mich bedeutet Social Entrepreneurship, dass wir wirtschaftlich erfolgreiche Lösungen bauen, die nicht nur für die einzelnen Unternehmer:innen funktionieren, sondern die gut sind für das Gemeinwohl, für uns alle,“ sagt Chris. Damit WILDPLASTIC seine Mission in diesem Sinne erfüllen kann, hat das Team sich entschieden, das Unternehmen in Verantwortungseigentum zu gründen. Dahinter stehen zwei Versprechen. Erstens: Gewinne, die WILDPLASTIC erwirtschaftet, fließen zurück ins Unternehmen und werden im Sinne der Mission reinvestiert. Und zweitens: Das Unternehmen ist nicht frei verkäuflich, sondern gehört nur den Menschen, die im Unternehmen tätig sind. Ein Exit, bei dem sich die Gründer:innen die Taschen voll machen? Bei WILDPLASTIC ist das keine Option.

 

Aber Chris denkt noch weiter und fragt: „Wie sieht die Wirtschaft von morgen aus?“ Erste Antworten darauf hat er schon. So unterstützt er zum Beispiel die Idee einer neuen Rechtsform – eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. Sie könnte eine Lösung für viele der aktuellen Herausforderungen von mittelständischen Unternehmen, Start-ups und Social Enterprises sein. Um Themen wie diese voranzutreiben, ist Chris auch Mitglied im Unternehmer:innenrat der Purpose-Stiftung.

 

Ein Kampf gegen Windmühlen?

Hat jemand, der sich einem so übergroßen Problem wie der Umweltverschmutzung durch Plastik widmet, eigentlich manchmal Sorge, nicht genug zu bewirken? „Im Moment gerät noch mehr Plastik in die Umwelt, als wir wieder herausholen,“ sagt Chris. „Und solange das der Fall ist, ist streng genommen Alarmstufe Rot.“ Das Problem alleine zu lösen, das sei aber eh nicht der Anspruch von WILDPLASTIC. „Ich glaube ganz fest an ein Miteinander, an Systeminnovationen und Kollaborationen und all die Dinge, die Social Entrepreneurship am Ende ausmachen,“ sagt Chris: Und weiter: „Uns ist total klar, dass die Plastikmengen, die wir retten, das Problem nicht beseitigen werden. Aber wir arbeiten ja mit Dutzenden Partnern zusammen und sehen, dass das Ökosystem rund um die Lösung der Plastikkrise wächst.“

 

Mutig bleiben

Was Chris außerdem Mut macht, dran zu bleiben, ist die Vorstellung davon, wie die Welt einmal sein könnte – eine gesunde Welt, eine schöne Welt, die auch künftigen Generationen noch Spaß macht. Dabei blickt er auch gerne auf seine Mitstreiter:innen: „Viele Sozialunternehmen sind für mich totale Hoffnungsträger, weil ich es so inspirierend finde, wie sie sich in den Sturm reinwerfen und die Dinge nicht immer nur problematisieren.“

 

Für die Zukunft wünscht er sich, dass die „wahren Kosten“ den Preis eines Produktes bestimmen. Kurz um: Lösungen, die mehr Schaden anrichten als etwas besser zu machen, sollten teurer sein als nachhaltige und faire Lösungen. „Ein ehrlicheres Spielfeld“ nennt Chris das. Dass sich das Spielfeld allmählich wandelt, haben wir auch Unternehmer:innen wie ihm zu verdanken – mutigen Wegbereiter:innen, die sich den Problemen stellen und dabei nicht nur an sich, sondern vor allem an Andere denken.

 

 

Lust, mehr zu erfahren? Hier geht’s zur Website von WILDPLASTIC:

 

Mehr erfahren

 

 

(c) Bildcredits: Bernd Westphal, Katja Hanzl, Anna Ziegler

Zu den anderen Testimonials