Viele von uns hatten diese eine Puppe, die uns durch unsere ganze Kindheit begleitet hat und an die wir uns heute noch erinnern. Als David Amoateng Onkel wird, möchte er seiner Nichte eine solche Puppe schenken. Und hat klare Anforderungen: „Sie sollte Schwarz sein, nicht aus Plastik bestehen, nachhaltig hergestellt sein und keine Stereotype bedienen.“ Das Problem: „Auf dem deutschen Markt war es extrem schwierig, so etwas zu finden. Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass bis zu 90 % der Puppen weltweit weiß sind.“
Aus dem Frust dieser Erfahrung wächst schließlich eine Idee: David entscheidet sich, die Sache kurzerhand selbst in die Hand zu nehmen – und das obwohl er weder Schneider noch Designer ist. „Als Sozialökonom und Optimist war ich überzeugt, dass ich das mit meinem Netzwerk gewuppt bekomme.“ Gesagt, getan! Mittlerweile sind die vielfältigen Puppen von Little Ashé aus vielen Kinderzimmern nicht mehr wegzudenken.
David, wie würdest du eure Mission beschreiben – was möchtet ihr verändern mit Little Ashé?
Wir möchten Repräsentation greifbar machen und Zugehörigkeit für jedes Kind selbstverständlich werden lassen. Zum einen geht es um die Selbstidentifikation von betroffenen, marginalisierten Gruppen. Zum anderen wollen wir aber auch in weißen Haushalten mehr Vielfalt schaffen – um eine Selbstverständlichkeit im Miteinander zu fördern und Fremdenfeindlichkeit abzubauen. Vielfalt und Sichtbarkeit sollen in der Spielwarenbranche keine Nische bleiben, sondern zum Standard werden. Dabei geht es nicht nur um schwarze Puppen: Wir arbeiten aktuell auch an einer asiatisch gelesenen Puppe, und auch Puppen mit Behinderungen sind in der Ideenfindung. Unser Ziel ist, all das, was bislang unterrepräsentiert war, sichtbar zu machen. Besonders an uns ist, dass wir eine eigene Wertschöpfungskette haben. Das heißt: von der Ideenentwicklung über das Design bis zur Produktion machen wir alles selbst – und übernehmen auch Vertrieb und Lagerung. Dadurch ist unser Prozess sehr transparent und für alle nachvollziehbar.
Warum ist der Aspekt einer eigenen, nachhaltigen Produktion für euch so wichtig?
Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit für ein Social Business: den eigenen Beitrag und Wirkungsgrad so groß wie möglich auszurichten. Wenn es mir nur um Repräsentation gegangen wäre, hätte ich mein Design auch nach China schicken können. Vier Wochen später hätte ich dann eine Puppe gehabt, so wie ich sie haben wollte, aber vermutlich maschinell und unter fragwürdigen Bedingungen produziert. Das wäre der einfachere Weg gewesen. Stattdessen habe ich sechs Monate lang unsere eigene Manufaktur aufgebaut – ein sehr zeitintensiver Prozess. Aber mir war wichtig, Nachhaltigkeit zu Ende zu denken: Es geht nicht nur um die Stoffe, die wir verwenden, sondern auch um die Menschen, die die Puppen fertigen. Sie sollen fair bezahlt werden. Das können wir am besten sicherstellen, indem wir die Produktion selbst übernehmen und den Schneiderinnen das Geld direkt überweisen – ohne Zwischenhändler. Damit schaffen wir gleichzeitig Arbeitsplätze in einer ländlichen Region von Ghana.
Und wie sieht eure Produktion und euer Nachhaltigkeitsverständnis nun genau aus?
Ich sage immer: Wir sind so nachhaltig wie möglich – im Rahmen dessen, was machbar ist. Unsere GOTS-zertifizierten Biostoffe kommen aus der Türkei und Portugal und werden nach Ghana transportiert. Vom CO₂-Fußabdruck her ist das natürlich nicht ideal. Aber auf dem afrikanischen Kontinent gibt es derzeit kaum zertifizierte Biostoffe. Wenn wir wachsen, wollen wir mithelfen, diese Strukturen vor Ort aufzubauen, um noch nachhaltiger arbeiten zu können. In unserem Gesellschaftsvertrag haben wir außerdem die SDGs verankert sowie die Pflicht, jährlich einen Wirkungsbericht zu erstellen und öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem steht dort, dass wir einen großen Teil unserer Gewinne reinvestieren, um unsere Mission und unsere Stakeholder zu unterstützen. Ein Ziel ist es, langfristig auch Menschen mit geringem Einkommen den Zugang zu unseren Puppen zu ermöglichen – 69 Euro sind nicht für jede Familie machbar. Deshalb stehen bei uns auch Kitas im Fokus, damit Kinder aus finanziell schwächeren Verhältnissen zumindest dort mit diversem Spielzeug spielen können.
Wenn du dich nochmal an den Aufbau von Little Ashé in Ghana erinnerst, wie hast du da die kulturellen Unterschiede erlebt und was war dir wichtig im Umgang mit den Menschen vor Ort?
Das ist eine schöne Frage. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Als ich angefangen habe, war es mir wichtig, nicht mit einem eurozentrischen Blick nach Ghana zu kommen und den Menschen dort die „deutsche Art“ einfach überzustülpen, sondern die kulturellen Unterschiede zu respektieren und auf Augenhöhe zu arbeiten. Ohne die Schneiderinnen könnte ich meine Miete nicht bezahlen – es ist also eine klare Win-win-Situation. Die Schneiderinnen – vor allem die Meisterschneiderinnen – beziehe ich auch bei Verbesserungsvorschlägen und Designentscheidungen ein. Am Anfang war das eine Umstellung, denn sie waren es gewohnt, in klassischen Hierarchien zu arbeiten. Wenn man dann plötzlich ernst genommen und gefragt wird: „Was ist deine Meinung?“ – dann ist man erstmal baff. Aber am Ende führt es dazu, dass Mitarbeitende glücklicher und zuverlässiger sind
Mittlerweile pendelst du regelmäßig zwischen Deutschland und Ghana. Wie erlebst du das Zusammenspiel der Kulturen heute bei deiner Arbeit?
Heute sehe ich es als Vorteil, Elemente aus beiden Kulturen mitzunehmen. Aus Ghana zum Beispiel die Geduld, dass Dinge Zeit brauchen. Aus Deutschland etwa Struktur und Organisation. Meine zwei Identitäten helfen mir, in beiden Welten problemlos zu agieren und Brücken zu schlagen. Früher habe ich immer nach einer eindeutigen Zugehörigkeit gesucht. Heute weiß ich: Zuhause ist dort, wo man sich wohlfühlt, wo Familie und Freunde sind – und das darf für mich sowohl in Ghana als auch in Deutschland sein. Das macht es leichter, zwischen den Welten zu wechseln.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen, die euch begegnen?
Wir sind jetzt in der Skalierungsphase – also dabei, den nächsten Professionalisierungsschritt zu gehen. Wachstum bringt immer Herausforderungen mit sich: zum Beispiel das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Produktion richtig einzupendeln oder für mehr Sichtbarkeit zu sorgen. Aber unser Fundament steht, wir haben einen Proof of Concept, dadurch lassen sich diese Herausforderungen heute besser greifen, als wenn wir bei null starten würden. Und ich bin sehr froh seit Mai eine neue Geschäftspartnerin an meiner Seite zu haben: Djenna Wehenpohl. Als Marketing-Expertin und Unternehmensberaterin wird sie dazu beitragen, dass wir diesen nächsten Entwicklungsschritt erfolgreich meistern.
Und wie erlebst du Hamburg als Stadt für Gründer:innen? Findest du hier die Unterstützung, die du brauchst?
Die Hamburger sind ja bekanntlich eher zurückhaltend, aber wenn man offen auf Menschen zugeht, findet man Angebote, Netzwerke und auch Leute, die die eigene Mission und Vision wohlwollend unterstützen. Was ich mir wünschen würde: Es gibt in Hamburg ja verschiedene Player wie den Körber Start Hub oder euch, die Allianz, die auch ein paar Überschneidungen haben. Aber ich fände es schön, wenn diese Player noch mehr Hand in Hand arbeiten würden. Ich könnte mir zum Beispiel gemeinsame Infoabende vorstellen, nach dem Motto: „Hier bekommt ihr dies, dort bekommt ihr das“. Gerade am Anfang kann sich das Gründen ziemlich überwältigend anfühlen, weil man plötzlich fünf, sechs Jobs gleichzeitig macht. Aber wenn man genau weiß, wo man hingehen kann, wäre das für die Hamburger Start-up-Szene auf jeden Fall ein Gewinn.
Danke für den Impuls! Das nehmen wir gerne mit. Zum Abschluss: Was ist die langfristige Vision für Little Ashé? Wo soll eure Reise in Zukunft hingehen?
Die Vision ist – kurz gesagt – der Steiff der Diversität zu werden. So wie man bei „Steiff“ an den Knopf im Ohr denkt, soll man bei uns sofort an Vielfalt im Kinderzimmer denken. Dabei geht es uns nicht darum, in drei bis fünf Jahren einen Exit zu machen und so gewinnbringend wie möglich an Barbie oder Mattel zu verkaufen. Stattdessen wollen wir ein nachhaltiges Unternehmen schaffen, das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, Nordamerika und auf dem afrikanischen Kontinent vertreibt und gleichzeitig seinen Manufaktur-Charakter behält – also keine Massenproduktion, sondern organisches Wachstum und Authentizität.
Vielen Dank für das Gespräch, David!
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Foto-Credits: Ben Wessler